PRESSEMITTEILUNG
Berlin, 27.11.2017
Ärzte fordern medizinisch sinnvollste Gelenkbehandlung für alle Patienten
Berlin – Die Zahl der eingebauten Knieprothesen steigt in Deutschland derzeit rasant an. Nach einer lange rückläufigen Entwicklung werden nun jährlich wieder rund 10.000 Knieprothesen mehr implantiert. Der Grund: Seit einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von 2015 dürfen Ärzte die schonende Arthroskopie zur Behandlung einer chronischen Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) nur noch in Ausnahmefällen bei gesetzlich Versicherten anwenden. Mit dieser Methode konnten vorher viele Patienten durch Knorpelglättung, Gelenkschleimhaut- und Meniskusteilentfernung von ihren Schmerzen vorerst befreit werden. Jetzt bleibt dem Arzt oft keine andere Wahl mehr, als die letzte Option zu ziehen und eine Totalendoprothese (TEP) – ein künstliches Kniegelenk – zu implantieren. Auch wenn dies für den Patienten möglicherweise noch lange hinausgezögert werden könnte.
Dr. med. Ralf Müller-Rath, Vorsitzender des Berufsverbandes für Arthroskopie: „Vor dieser Entwicklung haben wir immer gewarnt. Im Ergebnis werden unsere Patienten nun vermehrt mit komplikationsträchtigen Eingriffen versorgt und die Gesundheitskosten steigen weiter. Es wurde in ein System kommunizierender Röhren eingegriffen. Die Patienten, die an einer Kniearthrose leiden und eine Behandlung wünschen, werden ja durch einen Beschluss nicht weniger! Besonders bitter: Es trifft vor allem gesetzlich versicherte Patienten.“
In Deutschland leiden rund 17 Prozent der Männer und über 30 Prozent der Frauen im Laufe des Lebens unter einer Abnutzung des Kniegelenkes, die oft mit großen Schmerzen einhergeht. Im Anfangsstadium wird häufig mit Physiotherapien und Medikamenten behandelt. Reicht dies nicht mehr aus, waren bislang die Verfahren der Arthroskopie ein gutes Mittel, um die Beschwerden zumindest für eine Weile zu lindern. Bei der Gelenkspiegelung konnten in einer Sitzung nicht nur die Gegebenheiten im Knie genauestens analysiert sondern einige Schmerz-Verursacher auch sofort beseitigt werden. Erst wenn dies nicht mehr reichte, blieb die große Operation mit Komplett-Gelenkersatz.
Gemeinsam mit der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA) wertete der BVASK die Zahlen des statistischen Bundesamtes über Krankenhausoperationen von 2011-2016 aus. 2011 wurde durch die gesetzlichen Kassen der Antrag auf Ausschluss der Arthroskopie bei Kniearthrose gestellt. Auffällig: Die Anzahl arthroskopischer Eingriffe im Kniegelenk bei Kniearthrose sank von 45.000 im Jahr 2011 auf 7.000 in 2016 ab. Eine Gegenbewegung verzeichnen die Knieprothesen. Auch diese waren zunächst rückläufig. Nach einer Plateauphase 2014 steigt die Anzahl der Knieprothesen nun wieder jährlich um knapp 10.000.
Prof. Helmut Lill, Präsident der AGA, bringt es auf den Punkt: „Das Verbot der Arthroskopie bei Gonarthrose hat dazu geführt, dass weniger Arthroskopien, dafür mehr Knieprothesen gemacht werden. Dadurch werden Prothesen früher eingesetzt, deren Haltbarkeit letztlich auch begrenzt ist. In einigen Jahren müssen wir auch deshalb – neben der demografischen Entwicklung – eine noch höhere Zahl an Prothesenwechseln erwarten.“
Die Verbände bedauern, dass Warnungen der Fachleute vor einer solchen Entwicklung nicht ausreichend gehört werden und fordern ein Umdenken, damit das Leistungsspektrum in der Behandlung chronischer Beschwerden der Gelenke für gesetzlich Versicherte nicht weiter eingeschränkt wird.
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